



FAR SIDE / SUBSTANCE, 7m x 7m, clincer, lime plaster, gypsum, wall paint, 2015
The side specific negative sculpture „Far Side / Substance“ deals with the dialectic of a hidden and a concrete place. The 30 cm deep holes in the wall show a downscaled map of the so called dark or far side of the moon – the 40% of the earth‘s satellite which we aren‘t able to grasp, instead of using imagery. At the same time this map uncovers the hidden substance of the historic walls of the building of the Academy of Fine Arts built in the 1870s and offers a physical way to discover a place which is unreachable.
(DE)
Die ortspezifische Relief-Skulptur „Far Side / Substance“ beschäftigt sich mit der Dialektik eines verborgenen und eines konkreten Ortes. Die 30 cm tiefen Krater in der Wand zeigen eine reduzierte Karte der sogenannten dunklen oder entfernten Seite des Mondes (dark side of the moon / far side) – die von uns abgewendeten 40% des Erdsatelliten, die wir ohne Bilder herzustellen nicht begreifen können. Zugleich deckt die Karte die verborgene Substanz der historischen Mauern des Gebäudes der Kunstakademie auf, welche in den 1870er Jahren erbaut wurde. So wird zugleich eine physische Möglichkeit offenbart diesen durch Putz und Farbe verborgenen Ursprung des Gebäudes zu körperlich erfassen.
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Text by Franz Hefele
Die dunkle Seite des Mondes – The far side of the moon: Spielplatz der Imagination, ein Ort, der Bilder heraufbeschwört und durch Erzählungen verlebendigt werden will. Jene kraterübersäten 41% der Mondoberfläche, die sich konsequent von der Erde abwenden, fordern daher auch entschieden ihre Diskursivierung und Medialisierung. Bilder, die Apparaten entstammen, geben (bisweilen) ebenfalls potente Projektionsflächen ab: Zerklüftete Panoramen und eigentümliche Gesteinsformationen, wie sie auf Fotos und Videos der „un-heimlichen“ Seite des Mondes zu sehen sind, lassen allerhand interpretativen Freiraum offen.
FARSIDE / SUBSTANCE zeugt vom Wunsch, einem fremden, sich direkter Verfügung entziehenden, symbolisch höchst beladenen Ort als Vorstellung physisch habhaft zu werden. Auf der großen Wand des linken Treppenaufgangs zwischen Foyer und Vestibül des Akademiealtbaus ist in Form einer Negativplastik ein abstrahierte Karte der Rückseite des Mondes eingeprägt. Die großen und kleinen „Krater“ – u.a. Koroljov, Hertzsprung, Apollo, Namen, die Assoziationen, ja ganze Narrative provozieren – legen die hart gebrannten, roten Reichsformat-Klinker des zwischen 1876 und 1885 errichteten Akademiebaus von Gottfried von Neureuther frei. Sie decken, mit anderen Worten, auf, was sonst durch Schichten von Putz verborgen ist, die innere Struktur, die Substanz des Gebäudes, und weisen solcherart auf dessen reiche und bewegte Historie hin. Die mit Steinwerkzeug herausgebildeten Mauerausbrüche lenken also den Blick auf das architektonische Material als Medium der Vergangenheit: zwei Orte werden somit unmittelbar verschränkt. So zeugen die Krater des Mondes parallel auf die Spuren und Ereignissen seiner Geschichte. In gewisser Hinsicht machen erst sie – und alle Darstellungen, die mit dem Erdtrabanten verbunden sind – den nahen Himmelskörper echt: „Die Echtheit einer Sache ist der Inbegriff alles vom Ursprung her an ihr Tradierbaren“, so Walter Benjamin.
In Bezug auf Lawrence Weiners kritisch-explorativer Arbeit A 36“ x 36“ Removal to The Lathing or Support Wall of Plaster or Wallboard From a Wall, 1968 bezeichnenderweise gleichfalls im Treppenhaus einer Kunstinstitution ausgeführt (Kunsthalle Bern: When Attitudes Become Form), steht die Arbeit in einer Tradition institutionskritischer Positionen: Durch die ortspezifische Herangehnsweise manifestirt sich die Idee dieses Ortes als physischer Topos und Platz der Erfahrung. Frühneuzeitliche Mondzeichnungen auf der anderen Seite, sind Bezugspunkte, die FARSIDE / SUBSTANCE wissenschaftlich kontextualisieren. Während letztere jedoch als Symbole des Aufbruchs in ein neues, aufgeklärtes Zeitalter genauester empirischer Beobachtung figurieren, lädt Kalas Liebfried den/ die BesucherInnen ein, sich nicht zuletzt mit der schillernden Kehrseite dieser Epoche zu befassen, den unterschwellig rumorenden Verschwörungstheorien und Mythen, der Karte als abstrahiertes und imaginatives Bild. In diesem Sinne: „And if your head explodes with dark forebodings too. I’ll see you on the dark side of the moon..“ (Pink Floyd)